Klimawandel in der Region
Wie sich die Umwelt in Niedersachsen verändert
Der Klimawandel kommt nicht irgendwann, er ist schon da. Dass die globale Erderwärmung auch im südlichen Niedersachsen Auswirkungen hat, hat dieser Sommer deutlich gezeigt. Hitze und Dürre haben Menschen, Tieren und Umwelt zu schaffen gemacht - und ziehen viele Konsequenzen nach sich: massive Ernteausfälle, Tierfutter-Mangel, schlechtere Wasserqualität, Schäden in Wäldern, an Straßen und Bahntrassen.
Was sind die Zusammenhänge hinter dem Hitzesommer? Wie geht es weiter mit dem Klimawandel in Niedersachsen? Und wie sieht die Lage in der Region, also den Landkreisen Diepholz, Verden, Rotenburg, Oldenburg und Nienburg, aus? Dieses Multimedia-Projekt versammelt viele einzelne Artikel, die in den vergangenen Monaten in den Lokalausgaben der Mediengruppe Kreiszeitung erschienen sind und bringt so die kleineren und größeren Veränderungen durch den Klimawandel in der Region in einen Zusammenhang.
Das Multimedia-Projekt erläutert außerdem, welche Forschungsergebnisse es zum Thema Erderwärmung in Niedersachsen gibt. Höhere Temperaturen und zunehmende Verdunstung, trockene Böden und sich verschiebende Jahreszeiten sind hierzulande die am stärksten ausgeprägten Folgen des globalen Klimawandels.
In fünf Kapiteln greift dieser Beitrag die zentralen Themen des Klimawandels in der Region auf: (1) Heißere Sommer und kürzere Winter, (2) Dürre I - Verdunstung und Niederschlag, (3) Dürre II - Ernte und Nitrat, (4) Der Frühling beginnt Mitte Februar und (5) Ein Land verändert sich. Dieses letzte Kapitel zeigt, wie Menschen in der Region mit dem Klimawandel umgehen und welche Projekte und Experimente zur Zukunft von Landleben und Landwirtschaft sie bereits angestoßen haben.
Klimawandel heißt vor allem: Erderwärmung. Am deutlichsten spürbar ist sie in sogenannten Tropennächten, in denen die Temperaturen nicht unter 20 Grad sinken. Es ist „sehr wahrscheinlich, dass solch hohe Temperaturen und noch höhere Extrema öfter auftreten werden. Sie werden oft mit lang andauernden Hitzeperioden verbunden sein“, heißt es dazu im „Klimareport Niedersachsen“. Zu diesen Extremereignissen zählen auch die Tropennächte. In Niedersachsen hat es zwischen 1981 und 2010 viermal so viele davon gegeben wie in den Jahren zwischen 1961 und 1990.
Auch Förster Henning Küper, der seit mehr als 30 Jahren in Rotenburg für ein Revier von rund 2000 Hektar verantwortlich ist, stellt fest: „Die Phasen, in denen wir extreme Wetterphasen haben, werden mehr.“ Der Luhner Teich, der zu seinem Gebiet gehört, war Anfang August fast komplett ausgetrocknet.
Zwischen 1881 und 2017 ist die Temperatur in Niedersachsen im Durchschnitt um 1,5 Grad Celsius gestiegen. Klingt erstmal nicht viel, aber: Für den Zeitraum von 2012 bis 2050 erwarten die Forscher eine erneute Erwärmung um 0,9 oder auch 1,4 Grad Celsius. Das bedeutet, dass es immer mehr Sommertage mit einer Temperatur von mindestens 25 Grad geben wird - und immer weniger Tage, an denen es kälter als null Grad ist. Den Hitzerekord für 2018 hält Barsinghausen bei Hannover mit einer Spitzentemperatur von 37,9 Grad Celsius.
In Niedersachsen gibt es aufgrund der Nähe zum Meer sowieso weniger harte Wintertage als im deutschen Durchschnitt – und zugleich erwarten die Forscher, dass die Zahl der Frosttage hierzulande stärker sinkt als im bundesweiten Mittel. Der Winter wird zudem deutlich kürzer: Statt 115 Tage (Durchschnittszahl gemessen in den Jahren 1961 bis 1990) dauert er inzwischen nur noch 97 Tage (1991 bis 2007).
Wie sich die Temperaturen im Land entwickeln, ist stark davon abhängig, was hierzulande und weltweit getan wird, um den Ausstoß von Treibhausgasen zu reduzieren. Geht es so weiter wie bisher, kann die Temperatur im Zeitraum zwischen 2071 und 2100 um 3,5 Grad steigen. Verringert man ab sofort die Emissionen deutlich, nehmen sie in demselben Zeitraum nur noch um ein Grad zu.
Der bisherige Temperaturanstieg in Niedersachsen ist höher als der aktuelle weltweite Durchschnitt. Dieser liegt derzeit bei einem Grad im Vergleich zur Zeit vor der Industrialisierung. So wird deutlich: Der Klimawandel wirkt sich regional unterschiedlich und auch unterschiedlich stark aus. Wird von einer Erwärmung um 1,5 oder auch 2 Grad Celsius gesprochen, ist damit immer der Temperaturdurchschnitt der ganzen Welt gemeint. Entscheidend ist, dass die Erwärmung Veränderungen hervorruft, die nur schwer vorherzusagen und noch schwerer zu kontrollieren sind. Hinzu kommt: Die Emissionen der vergangenen Jahrzehnte werden auch in Zukunft noch auf das Klima wirken. Die bereits ausgestoßenen Treibhausgase lösen sich nicht einfach auf.
Wie hängen die Klimafaktoren Temperatur, Verdunstung, Niederschlag und Wasserbilanz zusammen? Es wird wärmer und zugleich regnet es im Sommer weniger. Das erste, was passiert: Feld und Wiese trocknen langsam aus, die Pegel der Gewässer sinken.
Das ist zum Beispiel im August in der Hunte in Wildeshausen passiert. „Das ganze Ökosystem leidet“, sagt Ralf Siemer vom Fischereiverein Wildeshausen. „Mit jedem Tag unter diesen Bedingungen geht es weiter in Richtung Katastrophe.“
Am Dümmer hat es in diesem Sommer für manche noch nicht einmal zum Bootfahren gereicht. „Wünsche Befahrensgebühr zurück“, schreibt Dieter Bach Mitte August der Samtgemeinde Altes Amt Lemförde. Der Grund: „Kein Wasser unterm Kiel. Boot sitzt im Schlick.“
Die Verdunstung wird weltweit auf dieselbe Art und Weise gemessen: Man schaut, wie viele Millimeter Flüssigkeit auf einem Quadratkilometer, der mit zwölf Zentimeter hohem Gras bewachsen ist, verdunsten. In Niedersachsen liegt der Verdunstungswert im Schnitt bei 561 Millimetern pro Jahr. Die Wissenschaftler erwarten wegen der steigenden Temperaturen bis 2050 sieben Prozent mehr Verdunstung. Im Zeitraum von 2071 bis 2100 sollen es sogar 19 Prozent mehr sein, also 668 Millimeter.
Diese Veränderungen betreffen auch das Grundwasser: Durch die Verschiebung der Niederschläge in den Winter und trockenere Sommer sinkt der Pegel in der Jahresmitte. Höhere Temperaturen und stärkere Verdunstung im Sommer verstärken das Phänomen noch. Für Niedersachsen werden laut „Klimareport“ bis 2050 keine besonderen Veränderungen der Niederschläge erwartet, es wird also eher trockener als nasser.
Besonders Bodentypen, die feucht sind – also Marschen, Auen an Flüssen und in Küstengebieten sowie Moore – leiden unter dieser Entwicklung. Sie werden „ihre Standorteigenschaften und damit ihre Ökosystemdienstleistungen verändern oder gar verlieren“, schreiben die Wissenschaftler. (Link zum Buch, S. 206)
Ein Beispiel: Straßen auf moorigem Untergrund sacken ab, weil der Boden an Feuchtigkeit und damit an Stabilität verliert. Das ist im Sommer 2018 im Landkreis Rotenburg geschehen. An manchen Stellen bildeten sich Wellen in der Straßendecke, an anderen entstanden bis zu 90 Zentimeter tiefe Risse. Sperrungen und Tempobegrenzungen waren die Folge. Aus demselben Grund hat Anfang Oktober die Freistätter Feldbahn im Landkreis Diepholz den Verkehr eingestellt - der Torfboden, auf dem die Schienen liegen, war durch die Trockenheit zu stark eingesackt.
Möglicherweise sind inzwischen auch Gebäude in der Rotenburger Innenstadt von den absackenden Böden aufgrund der Trockenheit betroffen. Andreas Herbig (Lederwarengeschäft Herbig) berichtet im Oktober: „Mir fiel sofort ins Auge, dass der Estrich abbröckelt. Knapp fünf Zentimeter ist der Boden nach unten gesunken.“ Unter seinem Geschäftsgebäude verläuft ein Moorgraben.
Ausgetrocknete Böden und verdorrte Pflanzen stellen zugleich eine deutlich erhöhte Brandgefahr dar: Im Sommer fingen regelmäßig Böschungen, Felder und auch Waldrandgebiete Feuer. „Es ist erschreckend, wie schnell sich das Feuer auf dieser großen Fläche ausgebreitet hat“, berichtet Hartmut Specht, stellvertretender Kreisbrandmeister in Diepholz, von einem Einsatz im Juli in Beppen.
In Küstennähe kommt ein weiteres Problem hinzu: „Steigt klimabedingt der Meeresspiegel, kann auch das Grundwasser im Küstenbereich steigen, und die Bodenfeuchte ändert sich. Weiter kann dies zum Eindringen von Salz in den Wurzelbereich der Pflanzen führen.“ (Link zum Buch, S. 206) Laut „Klimareport“ ist tatsächlich ein deutlicher Anstieg des Meeresspiegels zu erwarten, wenn die Emissionswerte so bleiben, wie sie derzeit sind. Derzeit ist unklar, wie stark der Meeresspiegel an der niedersächsischen Küste steigen wird – je nachdem, wie sich die Emissionswerte verändern, gehen die Forscher von einem Anstieg zwischen 25 Zentimetern und einem Meter bis 2100 aus.
Die Dürre auf Feld und Wiese hat weitere Folgen: Der Dünger kann durch den fehlenden Niederschlag nicht richtig einsickern, und die Pflanzen wachsen wegen Trockenheit und fehlender Nahrung weniger gut. Kommt dann doch ein starker Schauer, wird der überflüssige Dünger weggespült und landet im Bach. Die Nitratwerte steigen und zugleich fällt die Ernte schlecht aus. Das bekommen auch die Tierhalter zu spüren, denen dann das Futter ausgeht.
Das Problem: Es ist schwer vorherzusagen, wie viel Niederschlag kommt. „Die richtige Düngung hängt natürlich auch von der Witterung ab, und solange wir keinen aufs halbe Jahr verlässlichen Wetterbericht haben, müssen wir uns auf Erfahrungswerte verlassen“, sagt Kreislandwirt Tobias Göckeritz aus Nienburg. August Lustfeld ist Geschäftsführer des Nienburger Kreisverbands für Wasserwirtschaft und erklärt, ungenutzter Dünger werde, wenn alles vertrocknet ist, vom Herbstregen ausgewaschen. So gelange mehr als gewollt in die Gräben und von dort in die Bäche und Flüsse.
„Nitrat verändert Böden, zerstört die biologische Vielfalt und heizt durch Bildung von Lachgas den Klimawandel an. Am Ende wird aus einem Umweltproblem also auch wieder ein Problem für uns Menschen“, schreibt die Deutsche Umwelthilfe. Sie hat im Juli wegen der hohen Nitratwerte im Grundwasser Klage gegen Deutschland eingereicht. Der Nitrat-Grenzwert von 50 Milligramm pro Liter Grundwasser, der EU-weit gilt, werde von der Bundesrepublik nicht umgesetzt, heißt es in der Mitteilung zur Klage für „Sauberes Wasser“ (Link zum Dokument).
Für das Pflanzenwachstum und damit die Ernte sind beide Faktoren fatal: Die Trockenheit, die den Pflanzen Stress bereitet und ihr Wachstum einschränkt, und der fehlende oder schlecht dosierte Dünger. So berichtet Ralf Stöver, Landwirt aus Bühren im Landkreis Oldenburg: „Wir haben den Mais um dem 20. April gelegt, also gesät. Und die Pflanzen sind richtig gut gewachsen. Bis zur Blüte – da kam dann kein Wasser mehr.“
Die Getreideernte in Niedersachsen (Mais ausgenommen) ist laut dem Erntebericht des Bundesministeriums (Link) für Landwirtschaft in diesem Jahr um 22 Prozent geringer ausgefallen als 2017. Damit liegt Niedersachsen auf Platz fünf bei den Ernteverlierern. Der bundesweite Durchschnitt der Erträge liegt bei minus 15,8 Prozent.
Die Bilanz des Statistischen Landesamts nennt noch konkretere Zahlen. Im Landkreis Diepholz etwa ist der Ertrag beim Getreide im Vergleich zu 2017 um etwa 21 Prozent gesunken. Im Landkreis Rotenburg (Wümme) ist der Rückgang mit rund 37 Prozent noch stärker; nahezu gleich hoch (minus 37,5 Prozent) ist er im Landkreis Verden. Um gut 19 Prozent geringer als im Vorjahr ist der Ertrag bei der Getreideernte im Landkreis Nienburg.
Jürgen Meyer-Schorling, Landwirt aus Bassum, berichtet: „Wir haben 40 bis 50 Prozent Mindererträge bei Weizen, Gerste, Raps und Triticale, durch die Trockenheit.“ Er hat drei Wochen früher mit der Ernte begonnen als sonst, damit das Getreide nicht verbrennt. „Das ist so wie bei einem Menschen. Wer nichts trinkt, verdurstet irgendwann.“ Mark Schunert, Landwirt aus Visselhövede, bewirtschaftet 200 Hektar Ackerland mit Getreide, Mais und Raps und rechnet mit Einbußen von „30 bis 50 Prozent“.
Auch andere Pflanzen sind betroffen - und das hat Auswirkungen über die Lebensmittelvermarktung hinaus. Anja Reiners, Juniorchefin beim Erdbeerhof Nüstedt in Bassum, hat schweren Herzens das traditionelle Kürbisfest abgesagt: „Wir haben gemerkt, dass die Erntemenge viel zu klein ist. Es gab für uns nur zwei Möglichkeiten, entweder unsere Läden mit Kürbissen zu bestücken und zu dekorieren oder das Kürbisfest zu feiern. Beides gibt die Ernte nicht her.“ Und beim Erntefest in Heiligenfelde im Landkreis Diepholz ersetzten Fußballschuhe, Blumen und Papierdrachen den traditionellen Erntewagen-Schmuck aus Getreide - es war einfach zu wenig davon übrig.
Wie wird die Erntebilanz eigentlich erstellt?
Noch ein Wort zur Landwirtschaft
Besonders für die Landwirte ist die Lage nicht leicht. Sie müssen sowohl den Anforderungen des Klimaschutzes nachkommen als auch ihre wirtschaftliche Existenz im Blick behalten. In der Debatte um Dürrehilfen für Betriebe, deren Jahresernte um mindestens 30 Prozent ausfällt, hat es einige böse Kommentare gegeben. Ernteausfälle durch Wetterextreme seien ein Risiko, das die Hofbetreiber selbst tragen müssten, hieß es etwa. Landwirte würden bereits genug Subventionen erhalten.
Theo Runge, Vorsitzender des Landvolks Diepholz, Christoph Klomburg, Vorsitzender des Landvolks Mittelweser, und Tobias Göckeritz, sein Ko-Vorsitzender, haben sich ebenfalls skeptisch zu den Hilfen geäußert. Geld sei eher für längerfristige Investitionen nötig, meinen sie. Ihnen ist aber wichtig zu betonen, dass der Bauernverband eine Klimaschutzstrategie verfolge und auch regional in vielerlei Art und Weise aktiv sei. Die Landwirte seien sich ihrer Verantwortung bewusst.
Wenn die Hasel blüht, fängt der Frühling an – oder genauer gesagt, der Vorfrühling. Forscher unterteilen das Jahr in zehn Jahreszeiten, die sich an bestimmten Erscheinungen wie dem Blühen von Pflanzen, dem Reifen von Früchten oder auch dem Laubfall orientieren. So machen sie den Beginn des Frühherbsts daran fest, dass der schwarze Holunder Früchte trägt, und Winter ist dann, wenn die Blätter der Stieleiche fallen.
An diesen Beobachtungen lässt sich deutlich erkennen: Die Jahreszeiten in Niedersachsen verschieben sich nach vorne. Zwei Dinge fallen besonders auf: Der Frühling beginnt inzwischen 18 Tage früher als im langjährigen Mittel seit 1992. Und der „Klimareport Niedersachsen“ zeigt: Der Winter wird immer kürzer – waren es zwischen 1961 und 1990 im Schnitt 115 Tage, sind es inzwischen nur noch 97.
Die Frühjahrstrockenheit macht dem Wald zu schaffen, beobachtet Günter Westermann, Vorsitzender des Umweltausschusses des Landkreises Oldenburg und Vorsitzender der Forstbetriebsgemeinschaft Oldenburg-Delmenhorst: „Wir müssen langfristig den Wald umbauen.“ Denn besonders die traditionellen Baumarten - Eiche, Rotbuche und Rotfichte - leiden unter dem Klimawandel. Diese Einschätzung teilt auch Stefan Grußdorf, Betriebsdezernent der Niedersächsischen Landesforsten. Nicht nur die Trockenheit, auch die Stürme Xavier, Herwart und Friederike hätten dem Baumbestand stark zugesetzt.
Hinzu kommt: Ohnehin geschwächte Bäume sind ein willkommenes Futter für Schädlinge wie den Borkenkäfer. Karl-Heinz Dose, Leiter des Forstreviers Leese im Landkreis Nienburg, berichtet Mitte September: „In den letzten drei Wochen sind gut 300 Fichten befallen worden. Es wurde von einen auf den anderen Tag sichtbar.“
Knut Sierk ist Pressesprecher der Niedersächsischen Landesforsten für Nord-Ost-Niedersachsen und arbeitet beim Forstamt Sellhorn im Heidekreis. Der Kreis sei möglicherweise mit einem tiefblauen Auge davongekommen, was den Borkenkäfer angehe, sagt er. Aber die vielen Fichten, die kahl aussähen, ließen nichts Gutes ahnen: „Wir sehen langfristig ein Problem.“
Wie sich die Verschiebung der Jahreszeiten im Detail auf Tiere und Pflanzen auswirkt, ist zwar unklar. Das Umweltbundesamt vermutet jedoch, dass sich „die Veränderung in der zeitlichen Abstimmung negativ auf die Bestandsentwicklung von Arten auswirken“ kann. Denn so schnell, wie sich die Jahreszeiten verschieben, können sich die meisten Tierarten nicht anpassen. Ihre Brut- und Aufzuchtzyklen werden gestört und ihre Biorhythmen kommen durcheinander – das ist zum Beispiel für Tiere, die einen Winterschlaf halten, problematisch.
Ein Beispiel für die Schwierigkeiten, die wild lebende Tiere durch den Klimawandel erleben, sind die Störche im Landkreis Verden. Weißstorchbetreuer Hans-Joachim Winter erklärt, der trockene Sommer habe das Futter knapp gemacht. Einige Jungtiere seien deshalb verhungert oder von den Altvögeln aus dem Nest geworfen worden. Sykes Stadtbiologin Angelika Hanel sieht noch einen anderen Grund für den Futtermangel: Vögel fänden auch durch den Insektenmangel nicht mehr genug Nahrung. „Wir merken das deutlich bei Schwalben und Spatzen.“
Auch bei Igeln hat die Kombination aus langer Trockenphase und dem Insektenmangel für Probleme gesorgt. Die Tiere sind kleiner als in früheren Jahren, beobachtet „Igel-Mama“ Elke Ahlers aus Twistringen. Sie hat in diesem Jahr bereits 47 Tiere versorgt, so viele wie nie zuvor. Ein weiterer Fall sind Bienen. Bei Hobby-Imker Adolf Scherbinske aus Thedinghausen im Landkreis Verden etwa gibt es in diesem Jahr keinen Lindenblütenhonig.
Mit dem Ende des Sommers zeichnet sich auch ab, dass das Futter für domestizierte Tiere knapp wird. So zieht etwa Revierförster Heiner Brüning vom Forstamt Ahlhorn im Landkreis Oldenburg eine negative Bilanz: „Durch die immensen Trockenschäden an der Heide werden selbst die genügsamen Moorschnucken nicht satt.“ Carmen Adams von Reitclub Rotenburg muss 48 Pferde versorgen - und holt für das Heu inzwischen Angebote aus Cuxhaven, vom Niederrhein, aus Bayern, Thüringen und sogar aus Polen ein. Subventionen gibt es für sie, anders als für Landwirte, nicht.
Bioland-Bauer Lars Nordbruch aus Stuhr im Landkreis Diepholz macht sich ebenfalls Sorgen um das Futter für seine 190 Kühe - und seinen Verdienst: „Ich könnte einen Antrag darauf stellen, in dieser Situation auch konventionell erzeugtes Futter zu verwenden. Aber wie reagiert dann die Molkerei darauf? Dann bekomme ich sicher keinen Biomilch-Preis mehr.“
Es gibt zwei zentrale Strategien, mit den Veränderungen durch den Klimawandel umzugehen: Abschwächung und Anpassung. Den Klimawandel abzuschwächen bedeutet, Maßnahmen zu verfolgen, die zu weniger Schäden führen. Den Ausstoß von Treibhausgasen zu reduzieren oder Eingriffe in die Natur zu verringern sind Beispiele dafür.
Sich an den Klimawandel anzupassen ist ebenfalls wichtig. Bei dieser Strategie geht es darum, einen Umgang mit den bereits vorhandenen und den wahrscheinlich zu erwartenden Veränderungen zu finden - ein gutes Beispiel ist etwa die Erhöhung von Deichen oder die Frage, welche Getreide in Zukunft wie angebaut werden können. Auch in der Region gibt es zahlreiche Initiativen und Ideen zum Umgang mit dem Klimawandel und seinen Folgen - ein kleiner Einblick.
Wildpflanzen statt Monokultur
Wegwarte, Wilde Möhre, Alant, Eibisch, Malve, Rainfarn - schon mal gehört? In Jardinghausen im Landkreis Diepholz werden diese Wildpflanzen auf einer Versuchsfläche als Alternative zu Mais angebaut. Das Ziel: die Nitratbelastung des Bodens zu verringern und die Artenvielfalt zu fördern. - Link zum Artikel -
Roggen kann Schweinehalter-Probleme lösen
In Visselhövede (Landkreis Rotenburg) hat eine Studie zum Tierwohl von Mastschweinen ergeben, dass den Tieren Roggenfutter besser bekommt als Weizen. Außerdem braucht man für den Roggenanbau weniger Wasser - ein großer Vorteil für die Umwelt. - Link zum Artikel -
Insekten satt machen ohne Raps
Bienen lieben Raps, Menschen lieben Honig. Doch im Landkreis Verden ist der Rapsanbau seit 2013 um rund ein Drittel gesunken. Wie man den Insekten trotzdem genug Nahrung bieten kann, wird dort derzeit diskutiert. - Link zum Artikel -
Tropfen für Tropfen die Stadtbäume retten
Nicht nur Wälder, sondern auch die Bäume in Städten sind vom Klimawandel betroffen. In Syke (Landkreis Diepholz) machen sich die Verantwortlichen Gedanken um die Zukunft ihrer Grünflächen - und hängen deshalb manche Pflanzen an den Tropf. - Link zum Artikel -
Gras hält den Dünger im Boden
Wie stoppt man Dünger am besten davor, ins Grundwasser zu gelangen? Man sät noch eine Lage Gras zwischen den Mais. In Sottrum testen Landwirte, der niedersächsische Maschinenring und ein Saatgut-Hersteller diese Methode und sind gleich aus mehreren Gründen zufrieden mit ihrem Experiment. - Link zum Artikel -
Alle in diesem Multimedia-Projekt verlinkten Zeitungsartikel sind auf der Homepage der Mediengruppe Kreiszeitung (www.kreiszeitung.de) veröffentlicht.
Weitere verwendete Quellen und Literatur:
Guy P. Brasseur, Daniela Jacob, Susanne Schuck-Zöller (Hrsg.): Klimawandel in Deutschland. Entwicklung, Folgen, Risiken und Perspektiven, Heidelberg 2017. (online verfügbar)
Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft: Ernte 2018. Mengen und Preise. (online verfügbar)
Deutsche Umwelthilfe: Klage der Deutschen Umwelthilfe gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen überhöhten Nitratwerten, 16. Juli 2018. (online verfügbar)
Deutscher Wetterdienst: Phänologische Uhr für Deutschland und die Bundesländer (laufend aktualisiert). (online verfügbar)
Europäischer Rat: Richtlinie des Europäischen Rates vom 12. Dezember 1991 zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen (91/676/EWG). (online verfügbar)
Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC): „1,5 °C globale Erwärmung - Der IPCC-Sonderbericht über die Folgen einer globalen Erwärmung um 1,5 °C gegenüber vorindustriellem Niveau und die damit verbundenen globalen Treibhausgasemissionspfade im Zusammenhang mit einer Stärkung der weltweiten Reaktion auf die Bedrohung durch den Klimawandel, nachhaltiger Entwicklung und Bemühungen zur Beseitigung von Armut“, 8. Oktober 2018. (online verfügbar: deutsch (Hauptaussagen) und englisch (Vollversion))
Landesamt für Statistik Niedersachsen: Kartoffelernte 2018 fällt in Niedersachsen um ein Viertel niedriger aus als im Vorjahr (Pressemitteilung Nummer 90/18), 27. September 2018. (online verfügbar)
Niedersächsisches Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz/Deutscher Wetterdienst: Klimareport Niedersachsen. Fakten bis zur Gegenwart - Erwartungen für die Zukunft, 2018. (online verfügbar)